Pressemitteilung am 26.8.2024

Nach Verurteilung des ehemaligen USK-Beamten Maximilian K.: Nun beschäftigen weitere USK-Beamte die Augsburger Staatsanwaltschaft

Bayerische Skandaleinheit kommt nicht aus den Schlagzeilen

Am vergangenen Donnerstag (22.8.2024) verurteilte das Augsburger Landgericht in einem überregional beachteten Prozess den ehemaligen USK-Beamten Maximilian K. wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten [1,2,3,4,5,6,7]. Dieser hatte im Rahmen einer „Wasserschlacht“ mit seiner Dienstwaffe in einen voll besetzten Bus geschossen und nur knapp einen Kollegen verfehlt. Im Zuge der Ermittlungen sprach einer der beteiligten Polizisten dann von einem „Hurensohn von Staatsanwalt“ [2,3]. Nachdem das Gerichtsverfahren weiteres Fehlverhalten von Kollegen und Vorgesetzten zu Tage brachte, beschäftigen nun weitere Beamte der bayerischen Skandaleinheit die Augsburger Staatsanwaltschaft.

Wie der Bayerische Rundfunk berichtete [1], kritisierte der zuständige Oberstaatsanwalt Michael Nißl das „desolate Aussageverhalten“ der als Zeugen geladenen USK-Polizisten: Sie seien „erkennbar bemüht, zu mauern und wenig zur Aufklärung beizutragen“. Dies könnte als Falschaussage vor Gericht strafbar sein. Tatsächlich kam der Fall überhaupt erst in die Öffentlichkeit und auf den Schreibtisch von Oberstaatsanwalt Nißl, weil die Fanhilfe Mönchengladbach auf den Schuss aufmerksam machte [A].

Wieso stoppte keiner der USK-Beamten die Pflichtverletzung?

Aber auch weitere Fragen stehen im Raum: Wieso stoppten weder der vorgesetzte Zugführer noch die gleichrangigen Kollegen nicht die mehrstündige Wasserschlacht, ehe sie sich bis zum beinahe tödlichen Schuss hochschaukeln konnte? Wieso lässt der Chef des Nürnberger USK zu, dass, wie die polizeilichen Zeugen am zweiten Verhandlungstag bestätigten, es im Rahmen von Einsatzgeschehen immer wieder zu Wasserschlachten kommt und entsprechende Wasserpistolen griffbereit im Büro liegen? Wieso duldet er offenbar eine Kultur von Zeugenabsprachen statt intensiver Kooperation mit der Justiz zur Aufklärung von Fehlverhalten? Der Freundeskreis des Nürnberger USK (USK Freundeskreis Mittelfranken e.V.) hatte sich zu dem gesamten Vorgang bislang nicht geäußert.

Aufgrund all dieser ungeklärten Fragen stellte am gestrigen Sonntag (25.8.2024) Fußball-Fan Marie S. (Name aus Sorge vor rechten Strukturen im USK geändert) Strafanzeige und ermöglichte so staatsanwaltliche Ermittlungen. Wie intensiv diese geführt werden, ist derzeit noch nicht absehbar.

„Ich habe den Prozess mitverfolgt und das Gefühl, dass über Maximilian K. hinweg Dinge im Argen liegen. Ich bin überzeugt, dass es gar nicht soweit hätte kommen dürfen, dass jemand einen Schuss abgibt – und da haben auch andere versagt. Es kann nicht sein, dass Fußballspiele unsicherer werden durch die Polizei“, so Marie S.

Um ihre Anzeige auf den Weg zu bringen, wandte sich Marie S. an die Rechtsabteilung des Augsburger Klimacamps. Diese aus Laien bestehende Abteilung bietet überregional aktivistische Gruppen und Einzelpersonen ehrenamtliche Rechtshilfe an.

Bereits 2017 wurde international festgestellt, dass das USK rechtsstaatliche Aufklärung verhindert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Deutschland, nachdem Fußballfans Opfer von Gewalt durch das USK wurden. Die Täter konnten nicht aufgeklärt werden, Zeugen wurden nicht vernommen, Videomaterial nicht ausgewertet. Dies ist ein Verstoß gegen das Folterverbot, so das Gericht in Straßburg [E1,E2].

USK-Beamte mehrfach wegen Körperverletzung im Amt verurteilt

„Das USK gerät immer für allzu körperliches Vorgehen in die Kritik“, fasst die Augsburger Allgemeine [4] die öffentliche Kritik an der bayerischen Skandaleinheit zusammen. Einheiten des USK gerieten in der Vergangenheit mit Gewaltexzessen, sowohl gegen Kollegen [R] als auch gegen Dritte wie eine 18-jährige Schülerin [S1,S2], in die Schlagzeilen, Beamte wurden mehrfach wegen Körperverletzung im Amt verurteilt. 2019 fiel die Einheit zudem durch rechtsradikale Chatgruppen auf. Daraufhin wurden einige Beamte suspendiert oder aus ihren Einheiten entfernt [R].

Insbesondere im Umfeld von Fußballspielen fällt das USK bereits zum wiederholten Mal negativ auf. Bereits 2013 beschrieb der damalige FCA-Präsident Walther Seinsch das USK bei Fußballspielen als „extrem aggressiv“ [F]. Die Augsburger Fanhilfe [8] fragt als Konsequenz: „Warum überhaupt benötigen Beamte im Fußballstadion Schusswaffen? […] Was genau soll der Auftrag des USK bei Fußballspielen sein, wenn sich ihre Einsatzkräfte aus Langeweile mit Wasser bekriegen und „Schulhofspäße“ mit Schusswaffen fabrizieren?“

Der Umgang der Staatsgewalt mit Fußballfans wird nicht nur aus der Fußballszene äußerst kritisch verfolgt. Landtagsabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN etwa setzten sich in der laufenden Legislatur über mehrere Schriftliche Anfragen mit der sog. „Gewalttäterdatei Sport“ auseinander, bei der sie „Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit“ äußerten [G].

Referenzen

[1] https://www.br.de/nachrichten/bayern/schuss-von-polizist-in-augsburg-fragen-und-reaktionen-nach-dem-prozess-polizist-verurteilt,UMHRUGz
[2] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-polizei-fehlverhalten-verfahren-zum-schuss-beim-fca-ist-ein-fortschritt-102990979
[3] https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/augsburg-schuss-eines-polizisten-bei-bundesliga-spiel-vor-gericht-102935530
[4] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-polizei-experte-zu-urteil-im-schuss-prozess-jetzt-ist-ein-punkt-gesetzt-102990639
[5] https://www.sueddeutsche.de/bayern/augsburg-schuss-polizist-angeklagt-stadion-bundesliga-lux.4oS7LVnZMEXdjDcy78JTnA
[6] https://www.deutschlandfunk.de/verfahren-schuss-bundesliga-moenchengladbach-100.html
[7] https://rp-online.de/sport/fussball/borussia/nach-schuss-in-augsburg-polizist-suspendiert-grund-unklar_aid-96313393
[8] https://rot-gruen-weisse-hilfe.de/usk-prozess-in-augsburg-eine-katastrophe-fuer-den-rechtsstaat/

[A] https://www.br.de/nachrichten/bayern/schuss-vor-augsburger-stadion-bewaehrungsstrafe-fuer-polizisten,UM6EDmu,
Video ab Zeitstempel 5:25
[B] https://www.speicherleck.de/iblech/stuff/.usk/
[E1] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/urteil-am-menschengerichtshof-watschn-fuer-die-muenchner-polizei-1.3743073
[E2] https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EGMR&Datum=09.11.2017&Aktenzeichen=47274/15
[F] https://web.archive.org/web/20140818014236/http://fcaugsburg.de/html/img/pool/20130128_Stellungnahme_Fuerth.pdf
[G] https://www.max-deisenhofer.de/sport/nicht-mal-mehr-300-personen-in-der-datei-gewalttaeter-sport/
[K] https://www.klimacamp-augsburg.de/pressemitteilungen/2024-07-22_Zukunft/
[R] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/polizei-muenchen-usk-spezialeinheit-1.4369909
[S1] https://www.tz.de/muenchen/stadt/fausthieb-gegen-18-jaehrige-pruegel-polizist-abgewatscht-zr-7413236.html
[S2] https://www.nordbayern.de/franken/nuernberg/kieferbruch-durch-tritte-urteil-gegen-polizisten-bestatigt-1.5758537

Hinweise

Die an Oberstaatsanwalt Nißl übermittelte Anzeige ist im Wortlaut in [B] veröffentlicht. Im Fokus der Ermittlungen stehen demzufolge nun die Kollegen des verurteilten ehemaligen Beamten Maximilian K., sein Zugführer, der Einsatzleiter des Tattages, der Chef des Nürnberger USK sowie der Nürnberger Polizeipräsident (Polizeipräsidium Mittelfranken). Unter anderem kommen als Straftatbestände in Betracht: (gemeinschaftliche) Falschaussage vor Gericht (§ 153 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), gefährliche Körperverletzung (§ 244 StGB), Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) und andere.

Das Augsburger Klimacamp ist eine seit dem 1. Juli 2020 bestehende lose Gruppe an Klimaaktivist*innen, die über mehr als vier Jahre ein 24/7-Protestcamp neben dem Augsburger Rathaus unterhielt [K]. Mit zielgenauen Aktionen sollen Diskussionsräume ausgebildet werden, an denen die öffentliche Debatte über Klimagerechtigkeit aufgehängt und vorangetrieben werden kann. Das Klimacamp betreibt ein Bürgertelefon, das meist für aktivistische Notrufe wie kurzfristige Baumbesetzungen genutzt wird. Die aus ehrenamtlichen Laien bestehende Rechtsabteilung des Klimacamps fokussiert sich auf verwaltungsrechtliche Eilanträge, wenn Behörden demokratische Freiräume beschneiden und Demonstrationen verbieten, doch hat auch strafrechtliche Erfahrung gesammelt. Etwa war eine Jugendarrestanstalt nach einer Verfassungsbeschwerde gezwungen, einen Klimaaktivisten vorzeitig aus der Haft zu entlassen, da die zugrundeliegenden Urteile der Augsburger Gerichte die Meinungsfreiheit nicht hinreichend beachteten und daher verfassungswidrig waren (Referenzen M1 bis M6 in [K]).

Kontakt

Staatsanwaltschaft Augsburg: Andreas Dobler, 0821 / 3105-1227
Landgericht Augsburg: Michael Rauh, 0821 / 3105-1532
Bereitschaftspolizei Nürnberg: Pforte 0911/4810-0, Presse 0911/2112-1030
USK Freundeskreis Mittelfranken e.V.: Stefan Thiele, 0911 / 130 778 60
Bayerisches Innenministerium: Oliver Platzer, 089 / 2192-2729
Fanhilfe Augsburg (Rot-Grün-Weiße Hilfe e.V.): info@rot-gruen-weisse-hilfe.de
Fanhilfe Mönchengladbach: info@fanhilfe-moenchengladbach.de