Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 7. Dezember 2020
Stadt verhöhnt Catcalls of Augsburg mit Polizei- und Feuerwehreinsatz – Klimacamp bekundet Solidarität
Zur Stellungnahme von Catcalls of Augsburg
Die Gruppe „Catcalls of Augsburg“ dokumentiert mit Straßenkreide Vorfälle sexueller Belästigung direkt an den Orten der Übergriffe; die Augsburger Allgemeine Zeitung berichtete vor kurzem ausführlich über das zivilgesellschaftliche Engagement der beteiligten Frauen [1]. Die Aktivist*innen des Augsburger Klimacamps wurden heute Zeuge einer „beispiellosen Aktion der Verhöhnung“ der Stadt gegen Catcalls of Augsburg.
Eine Kreideschriftzug von Catcalls of Augsburg vor dem Rathaus machte heute ab etwa 15:30 Uhr alle Passant*innen auf einen kürzlich dort erfolgten sexuellen und rassistischen Übergriff aufmerksam (siehe Foto zur freien Verwendung).
Um 17:40 Uhr kamen zwei Polizist*innen ins Protestcamp und erkundigten sich nach Hinweisen über die Verantwortlichen der Kreideaktion. „Nachdem ich auf Catcalls of Augsburg verwies, bat die Polizei mich, trotzdem den Schriftzug zu entfernen. Passant*innen hätten sich von diesem belästigt gefühlt“, so Klimacamper Ingo Blechschmidt (32).
Als die Aktivist*innen des Camps der Bitte nicht Folge leisteten, da sie keinerlei rechtliche Verpflichtung dazu hatten sowie die Aktion unterstützten, beantragte die Polizei Amtshilfe bei der Feuerwehr. „Ein großes Löschfahrzeug sowie drei Polizeiautos rückten an, mindestens fünf Feuerwehrpersonen und vier Polizist*innen waren im Einsatz und spritzten Löschwasser über den Kreideschriftzug“, so Blechschmidt weiter.
„Offensichtlich fehlt es an einer Sensibilisierung für Verhältnismäßigkeit, sowie Verständnis für freie Meinungsäußerung“, so Blechschmidts Mitstreiterin Gwendolyn Rautenberg (19). „Ist das die Antwort auf zivilgesellschaftliches Engagement, das auf das wichtige Problem der sexualisierten Gewalt aufmerksam macht? Diese Überreaktion der Stadt fügt sich leider in eine lange Liste von Beispielen unnachvollziehbarer Prioritätensetzung ein. Die Verwendung von Straßenkreide auf Gehwegen ist eine Meinungsäußerung, die unter verfassungsrechtlichem Schutz steht. Insbesondere gilt dies, solange die Kreide vom Regen wieder weggewaschen wird sowie der Verkehr nicht gefährdet wird. Wieso ließ sich die Polizei hier überhaupt involvieren?“
Bei einer großflächigen Kreideaktion von Abtreibungsgegner*innen am 27.9.2020 neben dem Manzù-Brunnen am Königsplatz intervenierten Beamt*innen der Stadt dagegen nicht und ließen die frauenrechtsfeindlichen Sprüche stehen, bis sie schließlich von Feminist*innen am nächsten Tag eigenhändig entfernt wurden. „Diese ungleiche Reaktion zeigt, dass noch viel feministische und antirassistische Arbeit vor uns liegt — nicht nur in der Breite der Gesellschaft, sondern auch in den staatlichen Entscheidungsstrukturen.“
„Wenn wir Regierungspolitiker*innen auf die dringende Notwendigkeit ansprechen, das CO2-Budget der Stadt nicht zu überschreiten, werden wir immer auf den knappen Stadthaushalt verwiesen“, so Rautenberg weiter. „Mit den Kosten des heutigen Polizei- und Feuerwehreinsatzes hätte die Stadt schon eine kleine Klimagerechtigkeitsmaßnahme finanzieren können, etwa die Montage einiger Fahrradständer an einer Tramhaltestelle.“
Der Einsatz für Klimagerechtigkeit und Feminismus sowie Antirassismus sind untrennbar miteinander verbunden. Frauen und BIPoC sind im statistischen Durchschnitt stärker von der Klimakrise betroffen, tragen weniger zu ihr bei und sind seltener in Entscheidungspositionen, um der Klimakrise zu begegnen. Das Augsburger Klimacamp versteht sich seit seiner Errichtung klar als queerfeministisch und spricht Catcalls of Augsburg seine volle Solidarität aus. „Catcalls of Augsburg leistet wertvolle Aufklärungsarbeit. Sie offenbart insbesondere Männern, die in ihrem gesamtem Leben kaum mit Alltagssexismus konfrontiert sind, wie viel sexualisierte Gewalt Frauen erleben. Auch und insbesondere hier in Augsburg, an öffentlichen Plätzen“, erklärt Rautenberg.