Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 16. Januar 2021
Klimacamp besteht 200 Tage, bitterkalte Campttemperaturen und Bürger*innen, die besorgt unser Ende fordern
Das Augsburger Klimacamp steht bereits seit 200 Tagen auf dem Fischmarkt und die bisherige Reaktion der Stadtregierung ist erschreckend passiv. Mit solch einer Dauer haben auch die Klimacamper*innen selbst nicht gerechnet. „Ich dachte immer, Demonstrationen sind dazu da, dass Bürger*innen ihre Meinung in einer Demokratie kundtun können. Dass diese Meinung, die in unserem Fall nur aus wissenschaftlich belegten Fakten besteht, als so unwichtig erachtet wird, dass sie monatelang ignoriert wird, obwohl es um nichts geringeres als unsere Lebensgrundlage geht, finde ich schockierend“, äußert sich Fabian Theenhaus (17). Die Anzahl der Aktiven und der Unterstützer*innen wächst dabei ständig an. Es gibt eine breite Masse von Unterstützenden, die durch viel Zuspruch und Ermutigungen in Form von Wärmflaschen, gefüllten Thermoskannen und warmem Essen das Camp stärken. Auch aus ganz Deutschland reisen nach wie vor Menschen an, um die Campierenden zu unterstützen.
Erst nachdem die Stadt es auch mittels eines Gerichtsverfahrens vergebens versuchte, gegen die Anwesenheit des Camps vorzugehen, beginnt sie inhaltliche Gespräche mit den Demonstrierenden. Doch diese fallen ähnlich ernüchternd aus. Denn mit Zielen, die gerade einmal dazu führen, dass der unzureichende Koalitionsvertrag eingehalten wird, werden Berechnungen zufolge immer noch drei Mal so viele Emissionen verursacht, wie Augsburg laut IPCC Bericht 2018 anteilsmäßig noch zusteht, um die lebenswichtige 1,5 Grad-Grenze nicht zu überschreiten (2). Dennoch bleibt Hoffnung, dass die Ziele in naher Zukunft angepasst werden. Weiterhin sind aber nicht ausreichend Maßnahmen in Planung, um diese dann auch tatsächlich einzuhalten. Ein mutiger Start sinnvoller Entscheidungen wird uns hinterher viele Probleme ersparen. „Von unserer Regierung hätten wir erwachseneres Verhalten erwartet. Schon in der Schule lernen wir, dass es nichts bringt, die Arbeit immer weiter aufzuschieben. Da kommt nie etwas gutes raus“, erinnert Anouk Zenetti (14).
Dabei zeigen andere deutsche Städte, dass Klimapolitik auch vorbildlicher geht. So hat beispielsweise Erlangen den Kohleausstieg seiner Stadtwerke auf das Jahr 2021 gelegt (3). Die Stadt Aachen rief bereits 2019 den Klimanotstand aus und hält sich an das errechnete CO2-Budget, um das Erreichen von Kippunkten zu verhindern, die die globale Erderhitzung unumkehrbar machen und (4) Hamburg beschließt indessen eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten ab dem Jahr 2023 (5). Und das alles, ohne dass Jugendliche dafür mehrere Monate lang pausenlos und bei jedem Wetter draußen protestieren müssen. Zu guter letzt setzte die Stadt Rostock die Forderungen des Camps vor Ort binnen weniger Tagen um.
„Diese Beispiele, nur aus Deutschland, zeigen, dass klimagerechte Politik möglich ist. Stattdessen zeigt sich die Augsburger Regierung unverantwortlich, indem sie fahrlässig mit der Zukunft der jungen Menschen umzugeht und einen legitimen Protest so lange ignoriert und andererseits selbst dann noch zu geringe Maßnahmen zu ergreift“ findet Levin Hasselmeyer, (17). Seit Monaten sind die Jugendlichen jedem Wetter ausgesetzt und übernachten am Rathausplatz bei Schneefall, starkem Wind und Minusgraden. Wetterprognosen gehen für den 200. Tag des Klimacamps ganztägig von bitterkalten Temperaturen in den Minusbereichen aus. So gefährdet die Stadtregierung nicht nur die zukünftige Gesundheit der KlimacamperInnen, sondern auch die gegenwärtige.
Bürger*innen fordern Ende wegen der Kälte
Immer häufiger thematisieren Augsburger Bürger*innen einen Abbruch des Protestcamps am Ende von Gesprächen mit den Aktivist*innen. Ebenso erreichen die Aktivst*innen zahlreiche Mails und Briefe, die zwar große Untersützung bekunden, sich aber aufgrund der niedrigen Temperaturen ein Ende der Aktion wünschen. „Wir finden es sehr nett, dass sich Menschen Sorgen um uns machen. Natürlich sind wir erschöpft, und wäre das hier eine Spaßveranstaltung, wäre sie längst vorbei. Aber die Angst um die eigene Existenz ist ein so großer Antrieb, wie es keinen gibt. Wir werden hier nicht gehen können, bis die Stadt einlenkt und wir diese Angst nicht mehr spüren müssen“, beteuert Janika Pondorf (16). „Statt aus Sorge ein Ende der Aktion gutzuheißen, und damit dafür einzutreten, dass die wir nicht mehr in der Kälte schlafen müssen, die Stadt aber weiterhin nicht ausreichend handelt, freuen wir uns über Unterstützung mit wärmenden Essen oder Decken. Oder darüber, wenn neue Menschen mal ein paar Stunden im Camp verbringen und damit die Versammlung mit uns aufrecht erhalten wollen. So werden wir auch die kältesten Tage überstehen. Und mit kommenden wärmeren Temperaturen und einem dann hoffentlich beruhigten Infektionsgeschehen taut unser Camp auch wieder auf mit ganz viel neuem Progamm.“
Quellen
(1) https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/kohleausstiegsgesetz-1716678
(2) https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Was-sagen-die-Klimacamper-zum-Klimaschutz-Paket-der-Stadt-id58730491.html
(3) https://www.nordbayern.de/politik/bundestag-und-bundesrat-beschliessen-schrittweisen-kohleausstieg-1.10230998?cid=19.934143
(4) http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/energie/konzepte_veranstaltungen/klimaschutzkonzept/index.html
(5) https://www.pv-magazine.de/2021/01/05/hamburg-beschliesst-photovoltaik-pflicht-ab-2023