Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 10. November 2020
Gerichtsurteil: Klimacamp darf bleiben
Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg entschied (Au 8 K 20.1179) [1], dass das Klimacamp bleiben dürfe. Seit dem 1. Juli weisen dort Tag und Nacht Aktivist*innen darauf hin, dass die Stadt Augsburg entgegen ihres öffentlichen Images Klimagerechtigkeit nicht ernst nimmt und plant, das Augsburg zustehende Treibhausgasrestbudget um das Dreifache zu überschreiten. Die Stadt begegnete diesem friedlichen Protest junger Menschen mit einem Räumungsbescheid, den das Gericht nun für unrechtmäßig erklärte.
Das Gerichtsverfahren lief seit Tag 9 des Camps (9. Juli 2020) und dauerte so lange, da die Stadt immer wieder um Fristverlängerung bat. Damals erklärte Oberbürgermeisterin Eva Weber, dass sie das Klimacamp nicht mehr als politische Versammlung sehe, und bat die Klimacamper*innen, die Kundgebung bis 18 Uhr des Folgetages zu beenden, da sie „wahrscheinlich vor Gericht sowieso keine Chance hätten“.
„Wir hoffen immer noch, das Klimacamp so schnell wie möglich aufgeben zu können“, erklärt Janika Pondorf (16), Camperin der ersten Stunde. „In den 133 Tagen Klimacamp ist in Sachen Klimagerechtigkeit allerdings nichts passiert. Die Stadtregierung ist für uns in ihren Beteuerungen, Klimaschutz ernst zu nehmen und das Engagement junger Menschen zu schätzen, nicht authentisch. Alleine schon, weil sie sehenden Auges seit Klimacamperöffnung bereits 7 % des Augsburg zustehenden CO₂-Restbudgets verbrauchte. Die Stadt muss dringend einlenken!“
Dass die Stadt das Thema nicht verstehe, erkenne man auch in ihren Begründungsversuchen im Rahmen des Gerichtsprozesses. „Die Stadt attestierte etwa unserer Unterschriftensammlung für mehr und sicherere Radwege nur ‚im weitesten Sinne‘ einen Bezug zu unserem Versammlungsthema Klimagerechtigkeit.“ Dabei ist der motorisierte Verkehr Deutschlands drittgrößte Quelle an Treibhausgasemissionen, und Augsburg zu einer echten Fahrradstadt zu machen, liegt vollständig im Wirkungskreis der Stadt. „Auch unseren Veranstaltungen zu Feminismus und direkter Demokratie sprach die Stadt Klimagerechtigkeitsbezug ab.“ Dabei zeigen Bürger*innenversammlungen immer wieder, welch effiziente Klimagerechtigkeitsmaßnahmen der Querschnitt der Bevölkerung vorschlägt (zuletzt in Frankreich [2]: Tempolimit 110 km/h, Verbot von Inlandsflügen und Fleischgerichten in öffentlichen Kantinen). Frauen sind im weltweiten Durchschnitt stärker von der Erdaufheizung betroffen, tragen weniger zu ihr bei und sind seltener in relevanten Entscheidungspositionen.
„Wir hoffen, dass die Stadt mit uns nun ein inhaltliches Gespräch sucht. Ein solches gab es seit Beginn des Camps nicht“, ergänzt Pondorfs Mitstreiterin Stefanie Bauer (18). „Zudem hoffen wir, dass die Stadt ihre Finanzmittel statt in einen Berufungsprozess lieber in Klimagerechtigkeitsmaßnahmen investiert.“ Die Klimacamper*innen geben zu bedenken, dass sie keineswegs radikale Forderungen hätten, sondern lediglich auf die Einhaltung des demokratisch beschlossenen Pariser Klimaabkommens drängen und der Wissenschaft Gehör verschaffen. Zudem gebe es mehrere Maßnahmen, die die Stadt Null Euro koste – etwa veröffentlichte das Bündnis „Fahrradstadt jetzt“ eine Null-Euro-Liste an Maßnahmen. Auch ein Appell an die Bundesregierung, auf Wirtschaftswissenschaftler*innen zu hören und eine wirksame und gerechte CO₂-Bepreisung einzuführen, koste nichts. „Wenn die Regierungen aber weiterhin unsere Zukunft akut bedrohen, müssen und werden wir zu friedlichen Aktionen des zivilen Ungehorsams übergehen.“
[1] https://www.vgh.bayern.de/media/vgaugsburg/presse/pm_2020-11-10_klimacamp_november2020.pdf [2] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/klimapolitik-frankreich-buergerrat-klimaschutz-gelbwesten-direkte-demokratie [3] https://augsburg.klimacamp.eu/pages/Pressemitteilungen/2020-10-10-PM_100.html [4] https://augsburg.klimacamp.eu/pages/Pressemitteilungen/2020-08-03-PM_Weber.html
Hinweis
Den gesamten Schriftverkehr mit der Stadt geben wir gerne auf Anfrage heraus. Eine formlose Mail an alex.mai@posteo.net genügt. Über den Inhalt der Dokumente darf berichtet werden, nur dürfen die Dokumente selbst nicht veröffentlicht werden.
Anmerkung
Anders als in den USA, in denen die Klimakrise von der Regierung aktiv geleugnet wird, beteuern deutsche Politiker*innen immer, Klimaschutz ernst zu nehmen. Ein Blick auf die Beschlusslage zeigt aber, dass sie dies nicht tun. Seit Eröffnung des Klimacamps passierte folgendes:
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Auf Bundesebene wurde das Kohleeinstiegsgesetz beschlossen, dank dem unsere Steuergelder noch bis 2038 zur Subvention von Kohlekraftwerken verwendet werden sollen. Die damit ausgestoßene CO₂-Menge ist so groß, dass Deutschland sein Treibhausgasbudget für die 1,5-Grad-Marke erheblich überschreiten wird.
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Auf Landesebene wurde ein Klimagesetz diskutiert, das von allen Expert*innen (bis auf die beiden, die von CSU und AfD bestellt wurden) als unzulänglich kritisiert wurde: nicht 1,5-Grad-kompatibel, keine Budgetangaben, keine Zwischenkontrollen, keine Verbindlichkeit, …
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In Augsburgs Stadtrat brachte die Opposition mehrere gute Anträge ein: Radentscheid, dezentrale Energiewende, Klimanotstand, Analyse der Forderungen des Klimacamps, … Die wurden allesamt nicht zur Diskussion zugelassen, sondern auf unbestimmte Zukunft vertagt. Augsburg ist in Sachen Klimagerechtigkeit genauso weit wie vor 133 Tagen. Einzige Ausnahme: Eine Straße wurde zur Fahrradstraße.
Und trotz dieser gefährlichen Fehlentwicklung erklärte CSU-Stadtrat Max Weinkamm bei unserer letzten Podiumsdiskussion [3], er verstehe die Verzweiflung der Schüler nicht. Frau Weber selbst verwies in dem letzten Interview, das wir von ihr kennen [4], auf die Leistungen, die bisher schon erbracht wurden, und darauf, dass Augsburg Bayerns größter kommunaler Waldbesitzer sei.