Gemeinsame Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp, ADFC, Radentscheid, Forum Augsburg lebenswert und Bürgeraktion Pfersee am 20. Oktober 2020

Fahrradstadt: Wo bleiben 2020 die Volltreffer?

Das Klimacamp macht zusammen mit dem ADFC, dem Radentscheid, dem Forum Augsburg lebenswert und der Bürgeraktion Pfersee mit einer Demonstration auf Versäumnisse und Schwächen bei der Umsetzung der Fahrradstadt in diesem Jahr aufmerksam.

Die Aktion startet am Donnerstag den 22.10. um 15:15 an der Kreuzung der Stadionstraße, im weiteren Verlauf Perzheimstraße, mit der Schießstättenstraße. Die Polizei sperrt die Kreuzung von 15:30 bis 15:40 komplett ab. Wir bauen symbolisch einen Kreisverkehr auf.

Hintergrund

Unter dem Titel „Fahrradstadt 2020“ schickte sich Augsburg 2012 an, in die Championsleague des umweltfreundlichen Verkehrs aufzusteigen. Auf halber Strecke ging die Puste aus und man strich kurzerhand die Jahreszahl aus dem Ziel: Fahrradstadt irgendwann. Dennoch bietet die symbolträchtige Jahreszahl einen guten Anlass, die Chancenverwertung in diesem Jahr auf den Prüfstand zu stellen.

Nach langer - jahrzehntelanger - Vorarbeit durch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen entschloss sich die Stadt zu einer Aktion am als Angströhre berüchtigten Pferseer Tunnel: Seit dem Frühjahr signalisieren dort zwei Schilder Tempo 30. Grund zu uneingeschränktem Jubel? „Leider nein“, urteilt Petra Kammerer von der Bürgeraktion Pfersee, „es wirkt auf mich so, als hätte man nur das Allernötigste getan. Warum keine deutlichere Kennzeichnung, etwa mit einem farbigen Hinweis auf der Fahrbahn oder Smileys, die die tatsächliche Geschwindigkeit anzeigen. Warum beschränkt sich das radfreundliche Tempo auf den Tunnel? Im weiteren Verlauf bis zur Luitpoldbrücke passieren zu viele Unfälle, da muss auch Tempo 30 her. Auch die parkenden Autos machen es gefährlicher. Ich fordere Nachbesserungen“.

Beim Ausbau der Infrastruktur für Autos spielt Augsburg durchaus bei den Großen mit. So bekam die Stadionstraße vom TVA bis zur Schießstättenstraße im Hochsommer einen neuen Belag. Die Strecke wurde für einige Wochen gesperrt und die Baufahrzeuge rückten an. Eine gute Vorlage um auch etwas für den emmissionsfreien Verkehr zu tun und den geplanten Kreisverkehr an der Kreuzung zur Schießstättenstraße und Perzheimstraße umzusetzen. Verwandelt? Leider nein. „Wir vom ADFC hätten es so gerne gesehen, wenn man wenigstens eine der geplanten Radachsen endlich durchgehend fertig gestellt hätte. Der Kreisverkehr an dieser Stelle würde eine wichtige Lücke in der Achse III schließen. Wir können nicht nachvollziehen, warum dies bis zur Umsetzung der Linie 5 warten soll.“ so Almut Schwenke vom ADFC-Vorstand und vom Bürgerbegehren „Fahrradstadt jetzt“.

Immerhin ein Abstauber gelang bei der Ertüchtigung der Stadionstraße: Es gibt jetzt Schutzstreifen für Radfahrer auf beiden Seiten. Endlich ein Volltreffer? Wieder nicht. „Ich finde es gut, dass sich jetzt mehr Leute mit dem Rad auf diesen Straßenabschnitt trauen. Die Autos fahren langsamer“ beobachtet Ingrid Schaletzky, die sich im Forum Augsburg lebenswert und im Seniorenbeirat engagiert. „Aber bei der Verkehrsinsel sehe ich ein großes Gefahrenpotential. Da endet der Schutzstreifen einfach unvermittelt. Wenn hier Autofahrer, die sich nicht auskennen, auf unsichere Radfahrende stoßen, kann es leicht zu brenzligen Situationen kommen. Gerade für die ganz Kleinen und die reiferen Jahrgänge bedeutet das Rad ein wichtiges Stück Freiheit. Das setzt eine sichere Infrastruktur voraus. Und diese hat hier eine gefährliche Lücke“.

Das Klimacamp spielt bundesweit in der ersten Liga. Als erstes seiner Art hat es Aktivist*innen in vielen anderen Städten inspiriert, auf diese Weise auf klimafreuliches Handeln zu drängen. „Den konsequenten Umstieg aufs Rad und auf öffentliche Verkehrsmittel sehe ich als schnellste und effektivste Möglichkeit an, wie Augsburg seinen Teil zur Erreichung der vereinbarten Klimaziele beitragen kann“, so Janika Pondorf vom Klimacamp. „Warum läuft das alles so halbherzig? Warum immer wieder die faulen Kompromisse mit den CO2-Schleudern? Bitte, bitte eine Fahrradstadt jetzt, aus einem Guss, die den Namen verdient.“

Nachschau

Fotogalerie

Unserem Aufruf zur Teilnahme folgten auch die Stadträt*innen: Anna Rasehorn (SPD) und Deniz Anan (Grüne). Die Stadt reagierte auf unsere Aktionsankündigung mit einer Pressemitteilung. Wir sagen dazu:

Wir begrüßen, dass bei der Fußgängerinsel in der Stadionstraße noch für die Sicherheit des Radverkehrs nachgebessert werden soll.

Wir können allerdings nicht nachvollziehen, wieso die Sicherung mit Tempo 30 nicht sofort mit der Freigabe des Streckenabschnittes erfolgte. Das Aufstellen eine provisorischen Schildes für eine Übergangsperiode erfordert keine eigenen Haushaltsmittel.

Der Verweis auf fehlende Haushaltsmittel bestätigt genau den Anlass für unseren Pop-up-Kreisverkehr: eine Priorisierung der Verkehrsträger, bei der das Auto weiter an erster Stelle steht. Das Geld für die Erneuerung der Fahrbahn über mehrere 100 Meter stand eben schon zur Verfügung.

Auch die Linie, bei der Umsetzung von Verbesserungen im Radverkehr auf die Fertigstellung von Projekten für andere Verkehrsmittel zu warten, halten wir für nicht mehr zeitgemäß. Sichere Verhältnisse für den Radverkehr in der Pferseer Straße müssen nicht auf die Linie 5 warten, Tempo 30 und der Abbau von Parkplätzen kann umgehend erfolgen.

Es steht nie in der Absicht von uns Aktivist*innen, die Arbeitsleistung im Tiefbauamt herabzuwürdigen. Wir halten die bisherigen Umsetzungen im Jahr 2020 im Tempo und in der Ausgestaltung nicht für ausreichend um in absehbarer Zeit zu einer echten Fahrradstadt zu kommen. Wir haben an konkreten Beispielen gezeigt, wo die Augsburger*innen bei konsequenter Umsetzung der Forderungen der Bürger*innenbegehrens „Fahrradstadt jetzt“ bessere Lösungen erwarten können. Selbstverständlich erfordert das auch eine angemessene Ausstattung mit Stellen und Haushaltsmitteln.