Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 14. Dezember 2020
Klimacamp bietet Ordnungsamt gütliche Einigung an
Am vergangenen Freitag erließ die Stadt einen neuen Bescheid über das Klimacamp, der zwischen 21 und 5 Uhr ein Versammlungsverbot anordnet und in dieser Zeit zu einer Brandwache von genau zwei Personen verpflichtet. Dazu erklärte ein Mitarbeiter des Ordnungsamts der Augsburger Allgemeinen [1], dass eine Kundgebung kein triftiger Grund sei, die Ausgangssperre zu umgehen. Das Klimacamp vertritt die Position, dass die Bekämpfung der Pandemie sehr wichtig, der Verbotsbescheid allerdings rechtswidrig und nicht verhältnismäßig ist. Denn dem Ordnungsamt stehen mildere Mittel zur Verfügung, wie beispielsweise eine Beschränkung der nächtlichen Versammlungsteilnehmer*innenzahl auf fünf Personen. Diese Beschränkung erlegten sich die Klimacamper*innen neben anderen Einschränkungen auch schon vor Wochen selbst auf.
Schülerin Lara Sylla (16) erklärt: „Wir unterbreiteten heute dem Ordnungsamt einen Einigungsvorschlag. Das ausgesprochene Versammlungsverbot ist klar rechtswidrig, weshalb wir die Stadt dazu auffordern, dieses zurückzunehmen. Um der Behörde den Aufwand eines weiteren verlorenen Rechtsstreits zu ersparen, versuchen wir es auf dem gütlichen Weg. Kommt sie jedoch unserer Bitte nicht nach, werden wir unverzüglich Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen, denn wir kennen unsere Rechte und wünschen uns rechtliche Klarheit.“
Die Behörden der Stadt Augsburg haben die rechtliche Pflicht, Gesetze in einer grundgesetzkonformen Art zu interpretieren. Verordnungen dürfen keine grundsätzlichen Versammlungsverbote enthalten, wie das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Frühjahr erneut klar bestätigte. Um eine angemeldete Versammlung verbieten zu können, sind konkrete und schwerwiegende Gründe notwendig, wie dies etwa am vergangenen Wochenende bei Querdenken in Dresden der Fall war. Die Versammlungsbehörde ist durch das Gesetz verpflichtet, das geringstmögliche Mittel zur Abwehr von Gefahren, in diesem Fall der Pandemie, zu verwenden.
„Unser Motto seit Anfang des Jahres ist ‚Fight every crisis‘ – wir nehmen die Pandemie seit dem ersten Tag des Camps, dem 1. Juli, sehr ernst“, ergänzt Syllas Mitstreiterin Paula Stoffels (18). „So trugen wir etwa schon von Anfang an Masken an der frischen Luft. Damals tat das an öffentlichen Plätzen sonst keine Person. Verschärfte Auflagen sind bei der besorgniserregenden Inzidenzrate wie auch in anderen Städten Bayerns sinnvoll und verhältnismäßig.“ Beispielsweise erließ die Versammlungsbehörde der Stadt Nürnberg dem dortigen Klimacamp eine nächtliche Verringerung der maximalen Teilnehmer*innenzahl auf 10 Menschen. „Wir erlegten uns schon vor Wochen selbst die Auflage, nachts höchstens zu fünft zu sein. Ein Versammlungsverbot ist jedoch auf keinen Fall verhältnismäßig. Wegen Schule, Ausbildung oder Beruf kann keine*r von uns tagsüber schlafen, jedoch könnten wir uns bei nur zwei Personen bei der Nachtwache nicht abwechseln.“
Die Klimagerechtigkeitsaktivist*innen sind erneut erstaunt über das Fehlen grundlegenden Rechtsverständnisses bei der Versammlungsbehörde der Stadt Augsburg. „Es wäre besser, wenn sich die Stadt auf die Umsetzung des seit Samstag fünf Jahre alten Pariser Klimaabkommens konzentrieren würde, statt Energie in unnötige Rechtsstreitigkeiten zu stecken, die sie schon mehrmals verloren hat. Wir würden gerne allen Beteiligten den Aufwand ersparen, sehen uns aber durch das Handeln der Stadt dazu gezwungen.“
Die Bekämpfung der Pandemie ist für alle Aktiven im Klimacamp sehr wichtig. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von Corona-Rebell*innen, die ein großes Problem mit Verschwörungsideologien und Antisemitismus haben. Solidarisches Handeln zum Infektionsschutz hat eine hohe Priorität“. Die Absicht der Klage ist, rechtliche Klarheit über den formal mangelhaften Bescheid der Stadt einerseits sowie die Wichtigkeit der Versammlungsfreiheit andererseits zu schaffen.
[1] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Ausgangssperre-Diese-Ausreden-hoeren-Kontrolleure-in-Augsburg-id58719721.html