Presseinformation aus dem Augsburger Klimacamp am 28.2.2024

Pimmelgate Süd und Reese-Bäume: lang erwartetes Gerichtsverfahren am kommenden Dienstag

Kommenden Dienstag (5.3. 9:00, Amtsgericht Augsburg, Gögginger Straße 101, Sitzungssaal 146) findet der lang ersehnte Mammutprozess gegen Klimaaktivist Alexander Mai (27, Mathematik-Student und IT-Werkstudent) statt. Dieser Prozess war ursprünglich für den 14.11.2023 angesetzt, wurde jedoch vom Gericht aus dienstlichen Gründen zwei Male verschoben.

Verhandelt werden:

  • der vor zwei Jahren als „Pimmelgate Süd“ bekanntgewordene Fall, in dem auf einen Zeitungslink auf Facebook hin eine aus Sicht von Mai überzogene Hausdurchsuchung folgte (sogar die New York Times berichtete darüber)
  • Veröffentlichung von Mai ausgehändigten Dokumenten aus ebenjenem Fall
  • Kletterprotest bei den Reese-Bäumen
  • und ein neuer Fall im Zusammenhang der von Mai in den Jahren 2020 und 2021 verfassten Stadtrats- und Ausschussprotokolle.

Es geht um mehr als 10.000 Euro Geldstrafe.

Details zu diesen vier Fällen (mit Verweisen auf frühere Berichterstattung von AZ, a.tv, BR, Süddeutsche, DAZ, …) finden Sie in der früheren PM zur Prozessankündigung: https://www.klimacamp-augsburg.de/pressemitteilungen/13_11_2023_Pimmelgate_Sued_57_Baeume/

Seitdem haben sich nur folgende Ergänzungen ergeben:

  1. Wie im polizeilichen Durchsuchungsprotokoll dokumentiert ist, durfte Alex Mai während seiner Hausdurchsuchung nicht Klimacamp-Anwältin Martina Sulzberger anrufen. Dieses Verbot ist rechtswidrig, wie auch die Polizei bestätigte. Doch alle Dienstaufsichtsbeschwerden, die wir in diesem Zusammenhang gestellt haben, wurden als unbegründet verworfen. Stattdessen wurde, im Widerspruch zum polizeilichen Durchsuchungsprotokoll, behauptet, dass Alex Mai ein polizeiliches Handy für das Telefonat angeboten worden sei. Auf Anfrage können wir Ihnen alle Schriftsätze hierzu zur Verfügung stellen. Eine geschwärzte Veröffentlichung ist voraussichtlich NICHT nach § 353d StGB strafbar, da es sich nicht um Dokumente eines laufenden Gerichtsverfahrens handelt. Doch sicher ist es nicht. Arne Semsrott und andere Gruppen und Einzelpersonen arbeiten gerade daran, diesen „chilling effect“-Paragraphen als verfassungswidrig nachzuweisen (https://www.sueddeutsche.de/medien/arne-semsrott-fragdenstaat-klage-staatsanwaltschaft-paragraf-353d-1.6382148).

  2. Ein weiteres Beispiel für den Nimbus besonderer Härte der Augsburger Justiz sind die Fälle von Charlie Kiehne (21) und Samuel Bosch (21). Die beiden wurden vom Augsburger Landgericht zu Freiheitsstrafen (Jugendarrest) verurteilt. Charlie sitzt aus diesem Grund aktuell in der Jugendarrestanstalt Göppingen. Samuel wird seine Haft am 14.3. antreten. Details dazu: https://ravensburg.klimacamp.eu/presse/pressemitteilungen/haftantritt/

  3. Ursprung der Hausdurchsuchung war bekanntlich eine Strafanzeige durch AfD-Stadtrat Jurca, der sich durch das Posten eines Zeitungsartikellinks beleidigt sah. Augsburger „Staatsschutz“ und Justiz machen sich dabei nützlich für eine Partei, deren Motive nicht erst klar werden durch die Correctiv-Recherchen (https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/) oder die aktuell laufende Einstufung der ganzen Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ des Verfassungsschutzes (https://www.tagesschau.de/inland/afd-bericht-gutachten-verfassungsschutz-100.html). Bei der wohl größten Demo Augsburgs, „Augsburg gegen Rechts“ am 03.02., erinnerte auch unsere Oberbürgermeistern Eva Weber (CSU) daran, dass wir Hass und Hetze auch im Netz nicht einfach stehen lassen können. Das müssen wir ansprechen, um unsere Demokratie zu verteidigen (https://www.youtube.com/watch?v=2_VNXggCc6w, ab ca. 42:45). Welches Signal schickt die Augsburger Justiz an engagierte Bürger*innen, wenn bereits das Teilen eines Zeitungslinks zu solch drastischen Repressionen führt? Wie soll zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts dann noch funktionieren, unsere Demokratie verteidigt werden?

  4. Schlimmer und überzogener als die 57 Reese-Bäume, hat es in den letzten Tagen etwa 100 Bäume am Lech getroffen. Die Augsburger Allgemeine Zeitung berichtete (https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/kahlschlag-am-lech-in-augsburg-spaziergaenger-sind-entsetzt-id69568626.html und https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/kahlschlag-in-augsburg-behoerden-sind-auf-180-id69575971.html). Die Situation ist noch undurchsichtig, wie so oft beim voreiligen Schaffen von Fakten. Scheinbar hat hier eine Behörde unterschätzt, wie sehr Stadtbewohner*innen an den wenigen gesunden Bäumen hängen, die sie haben. Für die Verkehrssicherheit sollten wohl eigentlich etwa 10 Bäume fallen. Ein Baumexperte machte sich vor Ort ein Bild: von den letztendlich 100 zerstörten Bäumen wurden viele in einem nicht überlebensfähigen Zustand hinterlassen, der sie erst recht zu einer Gefahr für den Verkehr macht. OB Weber und Umweltreferent Erben reagieren, wie die AZ berichtet, verständlicherweise irritiert. Ohne Engagement aus der Bürgerschaft, wie von der Baumallianz, und ohne Kletterproteste, wie bei den 57 Reese-Bäumen, würden Fällungen wie diese ohne Skrupel durchgezogen werden.