Stellungnahme des Klimcamps vom 14.1.2023 zu Kommentar in der Augsburger Allgemeinen
Stellungnahme zu „Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste“
In Bezug auf den am 12.1.2023 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Kommentar
Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste Kommentar von Christian Grimm
„Der Widerstand gegen die Abbaggerung des Örtchens Lützerath setzt auf radikale Linksextremisten, missachtet Demokratie und Rechtsstaat und ist unternehmensfeindlich.“
über Twitter erwähnt unter
https://mobile.twitter.com/AZ_Augsburg/status/1613585469312307226
bezieht das Augsburger Klimacamp wie folgt Stellung:
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Die Kohle unter Lützerath ist unnötig. Die renommierte Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kommentierte dies in der Tagesschau ausführlich [1]. Die anderslautenden von NRW und RWE in Auftrag gegebenen Texte räumen selbst ihre Limitationen ein, unter anderem dass die Autoren unter großem Zeitdruck arbeiten mussten und dass sich nicht alle Punkte ausreichend prüfen ließen. Ausführliche Hintergrundinformationen geben die Gutachten [2,3] sowie die Zusammenfassung [4].
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Der Vorwurf der „Unternehmensfeindlichkeit“ ist lächerlich, weil es nicht Aufgabe der Gesellschaft oder des Staates ist, Konzerne dabei zu unterstützen, die Lebensgrundlage aller zu zerstören.
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Die Proteste in Lützerath sind ein probates Mittel, um das Thema auf die gesellschaftliche Agenda zu setzen. Das ist von überragender Wichtigkeit, denn in einer Demokratie sind Beschlüsse erst nach ausführlicher gesellschaftlicher Debatte möglich.
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Zur Räumung Lützeraths bestehen erhebliche offene verfassungsrechtliche Fragen [5]. Gerichte benötigen indes Zeit, um sich ausführlich mit solchen Fragen auseinandersetzen zu können. Dies illustriert auch die erfolgreiche Verteidigung des Hambacher Forsts unweit Lützeraths: 2012 hätte der Hambacher Forst gerodet werden sollen. Doch die aktivistische Besetzung verschaffte den Gerichten genügend Zeit, um zu verhindern, dass Fakten geschaffen wurden. Sechs Jahre später, 2018, fiel das obergerichtliche Urteil, dass die Rodungspläne rechtswidrig waren.
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In seiner jetzigen Ausgestaltung zerstört unser System die Lebensgrundlagen von den Menschen im globalen Süden und von den zukünftigen Generationen in Deutschland. Es hat daher keine Legitimation verdient. Es ist gut, wichtig und richtig, sich an Gesetze, Regelungen, Normen und Vereinbarungen zu halten. Wenn wir das konsequent durchziehen, brechen wir aber eine andere Vereinbarung, nämlich das demokratisch beschlossene Pariser Klimaabkommen. Die Gesellschaft muss aushandeln, welche früheren Verträge sie brechen möchte, um die Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen zu sichern.
Zusätzlich möchten wir anmerken, dass Disruption in Form von Protesten ein wichtiges Instrument der notwendigen Veränderung ist. Die Thesen des Autors führen – wenn gelebt – zu einer Fortführung der klimaschädlichen Wirtschaft mit der Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen, ohne globales Gewissen.
Es ist wieder einmal gesellschaftlich notwendig (der Autor bezieht sich auf die 70er und 80er Jahre), gewohnte Narrative und gesellschaftliche Muster auf den Prüfstand zu stellen und einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Genau das machen wir. Der Autor reproduziert die Welt von gestern, bezieht sich auf „Spielregeln“, die ein kaputtes System aufgestellt hat. Wir verändern Spielregeln, verändern Bezugspunkte, an denen sich die Gesellschaft bisher orientierte, und setzen neue Maßstäbe an, neue Messlatten. Die (System-)Hörigkeit, die der Autor offenbart, ist nicht zukunftsfähig. Die Zukunft gehört Menschen, die nicht festhalten, sondern mutig aufbrechen und die Herausforderungen der weltweiten Klimakatastrophe annehmen. Denn es ist jetzt (noch) möglich, gegenzusteuern und die Erdaufheiung zu begrenzen. Ob wir dafür aus freien Stücken unser Handeln anpassen oder später von den Folgen der Klimakatastrophe gezwungen werden: wir werden tiefgreifende Veränderungen unserer Lebenswelt erfahren.
Die Aktivist*innen in Lützerath nehmen unbequeme Methoden des Widerstands auf sich. Wenn es nicht nötig wäre, würden Menschen auch lieber anderen Themen nachgehen; im Warmen sitzen, Zugang zu medizinischer und sonstiger Grundversorgung haben, keine Repression fürchten.
[1] https://www.youtube.com/watch?v=3S6hgZfC4WQ
[2] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt_2021-169.pdf
[3] https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/221128_EBC_Aurora_Kohleausstiegspfad_und_Emissionen_as_sent.pdf
[4] https://www.bund-nrw.de/meldungen/detail/news/kohle-unter-luetzerath-wird-nicht-benoetigt/
[5] https://heinsberg-magazin.de/2022/12/29/raeumung-von-luetzerath-stuetzt-sich-auf-verfassungswidrigen-paragraphen-nrw-umweltminister-krischer-da-wurde-eine-unwahrheit-in-ein-gesetz-geschrieben/
[6] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-augsburger-klimaaktivisten-organisieren-fuenf-busse-nach-luetzerath-id65148616.html
[7] https://www.pimmelgate-süd.de/
AKTUELLER STAND ZU DEN VOM KLIMACAMP ORGANISIERTEN BUSSEN
Nachdem wir erst 116 Interessierten absagen mussten [6], können wir nun 255 Menschen von Augsburg und Umgebung zur Großdemo in Lützerath mitnehmen. Zum aktuellen Zeitpunkt sind von diesen Plätzen 243 belegt. Bei Interesse und rechtzeitiger Anmeldung kann die Busfahrt sowie die Großdemo selbst journalistisch begleitet werden. Abfahrt in Augsburg ist um etwa 23:30 Uhr. Durch einen Vorstoß der Abteilung „Staatsschutz“ der Augsburger Polizei, wie sie in der Vergangenheit häufig vorkam und sogar die New York Times zum Berichten anhaltete [7], könnte sich die Abfahrt verzögern.
Nachtrag: Zur Abfahrt der Busse nach Lützerath siehe unseren Tagebucheintrag vom 13.01.2023.