Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 9.10.2022

Klimacamper*innen folgen Hilferuf einer Anwohnerin und protestieren mit einer Notbesetzung für einen Erhalt der Bäume auf dem Reese-Areal

  • Sanierung nach Studien klimafreundlicher als Abriss und Neubau [1]
  • Besondere kulturelle Bedeutung des Altbestands
  • Nach Überzeugung der Aktivist*innen sollte dringend bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, und zwar primär durch Nutzung von Leerstand und Umwidmung von Bestandsgebäuden

„Leerstand verwenden, Rodungswahn beenden! Bestandsbauten sanieren, Altbaumbestand integrieren“. Unter diesem Motto besetzten am heutigen Montagmorgen Aktivist*innen des Augsburger Klimacamps die fällungsbedrohten Bäume auf dem Reese-Areal, nachdem sie am Sonntagmorgen durch eine Anwohnerin auf die bevorstehende Fällungen aufmerksam gemacht wurden. Wie die Augsburger Allgemeine am Freitag berichtete [2], hätten dort heute die Fällarbeiten beginnen sollen, um den Weg für den umstrittenen Abriss der letzten verbliebenen Kasernengebäude an der Sommestraße freizumachen. Nun konnten die Bäume vorerst gerettet werden. Wie sich die Situation in den nächsten Tagen entwickelt, ist derzeit nicht absehbar. Aufgrund der Kürze der Vorbereitungszeit baten die Augsburger Klimacamper*innen auch erfahrene Kletteraktivist*innen aus anderen Städten zur Hilfe.

FÄLLUNGEN ZWAR MIT GRÜNAMT, NICHT JEDOCH MIT KLIMACAMP ABGESTIMMT

Nach dem Vorbild einer früheren Baumschutzaktion in Gersthofen [3] errichteten die Klimacamper*innen teils provisorische Baumhäuser, teils besetzten sie die Bäume mit einfachen Hängematten. Mit einem Banner, dass das zentrale Aktionsmotto ziert, machen sie darauf aufmerksam, dass neu zu schaffender Wohnraum nicht primär durch Neubau, sondern durch Nutzung der zahlreichen leerstehenden Gebäude in der Innenstadt und durch Umwidmung existierender Flächen bereitgestellt werden kann, und dass dafür in Zeiten der Klimakrise erst recht kein alter Baumbestand abgeholzt werden dürfe. Eine Studie des renommierten Wuppertal-Instituts bestätigt ein Argument der Klimaschützer: Sanierung ist klimafreundlicher als Neubau [1]. Die Aktivist*innen stellen sich dem „Neubau-Wahnsinn“, wie sie ihn nennen, sowie der „Phantasie von CSU-Baureferent Gerd Merkle“ entgegen, dass gesunde, alte und ökologisch wertvolle Bäume lediglich banale Designelemente seien.

Umstrittenes Neubauprojekt

Auf dem Gebiet der ehemaligen Reese-Kaserne möchte die Wohnbaugruppe die letzten verbliebenen Gebäude abreißen und an ihrer Stelle später neue bauen. „Bislang hat die WBG nie nachvollziehbar erklärt, warum überhaupt eine Fällung der Bäume erforderlich sei“, so Ingo Blechschmidt (34) vom Klimacamp. Die von der WBG in Aussicht gestellten Neupflanzungsexperimente überzeugen Blechschmidt nicht: Falls solche Experimente gedeihen, dauere es 80 bis 100 Jahre, bis die anfangs winzigen Setzlinge dieselben Funktionen übernehmen können wie die wertvollen Bestandsbäume. Wie das Handelsblatt berichtete [4], bestätigt, was die Schutzfunktion der CO₂-Bindung angeht, eine vielzitierte Studie der Universität Hamburg diese Aussage. Blechschmidt betont, dass das Klimacamp keineswegs pauschal gegen alle geplanten Baumfällungen vorgehe. Die Fällungen längs der Bahntrasse etwa ließ das Klimacamp zu [5].

Der bereits abgerissene Gebäudebestand wurde umfangreich kulturell genutzt; gegen den Abriss stemmten sich große Teile der Kulturszene und mehrere Bürger*innenbewegungen. „Leider blieb ein Kurswechsel der Stadt seit mehreren Jahren aus. Wir nutzen die letzte Chance, den Bäumen und dem ehemaligen Kulturort die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdienen“, so Blechschmidt. „Gewissermaßen ein Aufbäumen der Verdammten.“

Umstrittene Äußerungen von WBG-Geschäftsführer Mark Hoppe

WBG-Geschäftsführer Mark Hoppe steht im Klimacamp nicht nur wegen seiner Abrisspläne in der Kritik. Wie ein Mitglied der Parents for Future Augsburg auch bei der Bürgerversammlung im Oktober 2021 ausführte, legt die WBG Mieter*innen diverse Hürden in den Weg, wenn diese auf eigene Kosten Balkonsolarkraftwerke installieren möchten. Aus Sicht der Aktivist*innen sei das in Zeiten der Klimakrise und steigender Energiekosten unverständlich. Vielmehr sollte die WBG ihre Mieter*innen zur Installation solcher Solarmodule ermuntern und sie darin auch finanziell unterstützen.

[1] https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/7671
[2] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-platz-fuer-neue-wohnungen-die-rodungsarbeiten-im-kulturpark-west-starten-id64181716.html
[3] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/Gersthofen-Klima-Aktivisten-kaempfen-um-Baeume-am-Gersthofer-Festplatz-id59011896.html
[4] https://www.swp.de/lokales/ulm/protest-in-ulm-umweltaktivisten-besetzen-uniwald_-im-baumhaus-gegen-bettenhaus-62807819.html
[5] https://www.klimacamp-augsburg.de/pressemitteilungen/2022-09-24-baumfaellung-in-hochzoll/

Fotos

Das Bild zeigt einen Aktivisten in einem Baum sitzend. Zwischen seinem und einem anderen Baum hängt ein Plakat mit dem kurzen Gedicht „Leerstand verwenden Größenwahn beenden Bestandsbauten sanieren Altbaumbestand integrieren!“. Das Bild ist in den frühen Morgenstunden noch im Dunkeln aufgenommen worden.

Ein Baum mit einem Pappschild an seinem Stamm, auf dem nur „Hilfe!“. Das Bild ist in den frühen Morgenstunden noch im Dunkeln aufgenommen worden. Das Pappschild wird von einem Scheinwerfer oder einer Lampe angeleuchtet.

Ein Aktivist in einem Baum. Unterhalb von ihm hängt ein Pappschild mit der Aufschrift „Make Love not CO2!!!“. Das Bild ist in den frühen Morgenstunden noch im Dunkeln aufgenommen worden. Ein Scheinwerfer oder eine Lampe leuchten den Aktivisten an.

An einem Bauzaun vor dem Reese-Areal hängen zwei Banner. Auf dem linken Banner steht „Hände weg von unseren Bäumen“ und „BAUMALLIANZ AUGSBURG E.V.“. Es sind Bäume darauf abgebildet. Das rechte Banner zeigt eine brennende Erdkugel. Handgeschrieben steht darauf „UNSER aller HAUS BRENNT! Wir fangen an zu löschn“. Im Hintergrund sind ein altes Gebäude und mehrere schöne alte große Laubbäume zu sehen. Das Bild ist in den frühen Morgenstunden aufgenommen. Zwischen den Wolken erhellt sich langsam der Himmel.

Das Bild wurde bei Tageslicht aufgenommen. Auf der rechten Seite sieht man ein altes Gebäude. Im Hintergrund stehen mehrere Bäume. An einem davon hängt ein Plakat. Dessen Aufschrift ist aufgrund der Distanz nicht zu entziffern.

Auch dieses Bild wurde bei Tageslicht aufgenommen. Es zeigt den Aktivisten aus dem dritten Bild, wie er auf dem Baum sitzend ein Buch liest. Links des „Make Love not CO2!!!“-Pappschildes ist ein rotes Banner mit der Aufschrift „Radikal? ... sind diejenigen, die nicht sehen, was unbedingt getan werden muss.“ Im Hintergrund sieht man ein altes Gebäude mit einigen alten Graffitis.