Kritik am Klimacamp

veröffentlicht am 31. Juli 2024

Dieser Beitrag geht auf Kritik am Klimacamp ein, sowohl auf berechtigte Kritik als auch auf absurde Kritik. Diese Beitrag kann als Universalantwort auf 90% aller verächtlichen Kommentare angewendet werden, die in den Kommentarspalten verschiedener Zeitungen und anderer Publikationen erscheinen.

  1. Lächerliche Kritik
  2. Zur Arbeitsweise des Klimacamps
  3. Subtilere Kritik
  4. Kritik, die zutrifft

Manche Kritik am Klimacamp ist berechtigt.

Es gibt aber auch viel Kritik am Klimacamp, die so falsch ist, dass es fast schon wieder lustig ist.

Angenommen jemand kommt mit panischem Blick vorbei und ruft „Feuer! Feuer!“. Was tun sie dann?

  • Verfallen Sie, ohne die wesentlichen Fakten zu kennen, in Schockstarre und denken, es sei doch sowieso alles zu spät?

Hoffentlich nicht.

  • Gucken Sie erst einmal, ob der Mensch ordentlich gekleidet ist? Wenn er*sie unordentlich gekleidet ist, dann muss man seine Warnung ja nicht ernst nehmen.

  • Versuchen Sie erst einmal die politische Position der Sie warnenden Person zu ermitteln? Falls diese „links-grün-versifft“ ist, dann muss man seine Warnung ja nicht ernst nehmen.

  • Versuchen Sie zu ermitteln, wie viel der Mensch verdient? Wenn er*sie arbeitslos ist oder prekär beschäftigt ist, dann muss man seine Warnung ja nicht ernst nehmen.

Nein, das tun sie alles nicht. Sie bringen sich in Sicherheit.

Dieses Ablehnen einer Botschaft basierend darauf, wer sie überbringt, ist absurd. So etwas tun Menschen, die in ihrer derzeitigen Geisteshaltung für eine inhaltliche Debatte schwer zugänglich sind.

Außerdem lassen sich die Fakten relativ leicht prüfen. Wenn sie einen Moment inne halten, riechen Sie vielleicht sogar schon den Rauch des Feuers.

Wenn es um Klimagerechtigkeit geht, beobachten wir leider bei einer Minderheit der Menschen derart absurde Ablehnung. Im Fall der sich anbahnenden Klimakatastrophe können Sie die Faktenlage sehr leicht anhand der Weltklimaberichte prüfen. Offizielle Zusammenfassungen der Berichte liegen auch in deutscher Sprache vor.
Die Berichte sind unpolitisch und genügen hohen wissenschaftlichen Maßstäben. 195 verschiedene Staaten von den USA bis Kuba, von Großbritannien bis Russland, von Island bis China, von Frankreich bis Grenada haben daran mitgewirkt. Siehe auch die Liste der IPCC-Mitgliedsländer.

Die Begründungen und Argumente hinter unseren Forderungen sind zahlreich, lang und unübersichtlich, aber sie sind auch offen zugänglich und nachvollziehbar.

Ein Großteil der Arbeit der Klimagerechtigkeitsbewegung besteht darin, die verfügbaren Informationen leichter verständlich aufzubereiten. Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie einfach. Wir sind es gewohnt derartige Gespräche zu führen. Fragen ist nichts, wofür man sich schämen muss. Auch wir wissen nicht alles und fragen manchmal unsere Mitaktivist*innen oder Wissenschaftler*innen.

1. Lächerliche Kritik

Absurde Kritik am Klimacamp ist solche, die von der Bedeutung der Notwendigkeit stärkeren Klima­schutzes abzulenken versucht. Gewöhnlich gehen wir auf sie nicht weiter ein. Hier wollen wir es ein einziges Mal doch tun, damit wir dann in Zukunft einfach auf diesen Artikel verweisen können.

Steckt nun also Wahrheit in den Anschuldigungen, dass wir der Gesellschaft auf der Tasche liegen, Menschen bevormunden wollen oder ideologisch agieren? Dieses Mal lassen wir uns dazu herab, diese Fragen zu beantworten.

1a) Ordnung

Da wird beispielsweise das Klimacamp als Schandfleck verunglimpft. Sachlich ist das nicht gerade, aber Schönheit ist nun mal Geschmackssache. Moritz ist in seinen Kommentar zur Mobilitätswende darauf eingegangen. Darum müssen wir das hier nicht wiederholen.

Die vielen Plakate tragen zur öffentlichen Meingungsbildung und dem Versammlungscharakter des Klimacamps bei. Sie sind wichtig. Vor dem Klimacamp war da übrigens nur ein Parkplatz.

1b) Konsumkritikkritik

Manchmal wird versucht die Klimabewegung zu delegitimieren, indem man sagt, dass wir doch selbst Handys und Laptops verwenden und selbst Dinge aus Plastik besitzen und damit zum Problem beitragen.

Tatsächlich sitzen wir oft mit solchen Geräten herum, schreiben Pressemitteilungen, recherchieren zu Klimathemen oder machen unsere Hausaufgaben. Elektronische Geräte sind heute ein wichtiger Teil der gesellschaftlichen Teilhabe. Nicht wenige von uns am Klimacamp haben einen Hochschulabschluss (Bachelor, Master oder gar Promotion) in Informatik. Selbstverständlich ist ein Laptop ein Arbeitsgerät unseres Alltags.

Für uns unterstreicht das Gemaule, wir würden Laptops am Klimacamp verwenden, vor allem, dass in Deutschland eine klimaneutrale Lebensweise und gesellschaftliche Teilhabe noch nicht gemeinsam möglich ist, ja sogar von vielen als gegensätzlich angesehen wird. Klimaneutral muss aber der Normal­zustand werden. Ein Abschieben der alleinigen Verantwortung auf den Verbraucher ist fehl am Platz. Benötigt werden politische Weichenstellungen.

Die Abwägung zwischen berechtigter und unberechtigter Konsumkritik ist für uns ein wichtiges Thema, zu dem wir uns massiv Gedanken gemacht haben. Daher widmen wir Konsumkritik und Konsumkritikkritik einen ganzen eigenen Artikel auf unserer Webseite. Dieser wurde inzwischen auch in der ersten Ausgabe von Haltet Auxburg schräg abgedruckt und lag am Klimacamp aus.

1c) Brandschutz

Manche Kommentatoren unter Nachrichtenartikeln über uns machen sich Sorgen über den Brandschutz am Klimacamp. Es könnte ja mal etwas passieren.

Insofern die Kommentatoren nicht vor haben, Brandstiftung zu begehen, müssen sie sich keine Sorgen machen.
Brandschutz ist uns wichtig. Wir hatten am Augsburger Klimacamp im Jahr 2022 auch Anfang März und Mitte April spontane durch unbekannte ausgelöste „Brandschutzübungen“, mit deren Ablauf wir mit Ausnahme einiger Sachschäden eigentlich ganz zufrieden sind. Auch in den Folgejahren hat man Sylvesterböller auf unser Camp geworfen oder versucht ein Banner oder eine Fahne anzuzünden. Die Feuer konnten immer sehr schnell gelöscht werden. Das Camp erfüllt die hohen Brandschutzauflagen des Ordnungsamtes. Trotzdem ist das natürlich kein Thema, wo wir nachlässig werden sollten.

1d) Nutzen für die Gesellschaft

Dann wird uns auch unterstellt, dass wir der Gesellschaft auf der Tasche liegen. Das Gegenteil ist der Fall.
Wir haben einige potente Steuerzahler*innen unter uns, die auch beachtlich in die Rentenkasse einzahlen. Lassen Sie sich bitte vom Schein nicht trügen. Viele von uns sind konsumscheu. Sie können am Klimacamp auch schon mal einer Person mit löchriger oder ausgefranster Kleidung begegnen, die einen Bruttojahreslohn von deutlich oberhalb des bayerischen Durchschnitts vorweisen kann. Das liegt vor allem an dem hohen Akademikeranteil am Klimacamp.
Außerdem sind hier unter uns etliche Personen aktiv, die als Mitarbeiter*innen an Universitäten oder Schulen für ein Gehalt arbeiten, welches weit unterhalb ihrer hohen Qualifikation liegt. Mit ihrer beruflichen Tätigkeit leisten sie wertvolle Bildungsarbeit für die Gesellschaft.
Das Klimacamp ist für die Arbeitenden unter uns eine wertvolle Freizeitbeschäftigung, die aufgrund ihres gesellschaftlichen Wertes und Bedeutung für die gemeinsame Zukunft deutlich erfüllender ist als beispielsweise Computer zu spielen oder Fußball zu gucken.

Darüber hinaus bieten wir kostenlose Bildungsveranstaltungen an, deren Besuch jedem frei steht. Das sind vor allem Workshops am Klimacamp, aber auch immer mal wieder Vorträge im Zeughaus, bei Vereinen oder an Schulen und Universitäten. All das machen wir unentgeltlich.

Die wertvollste Arbeit, die wir für die Gesellschaft und vor allem für zukünftige Generationen leisten können, ist derzeit erfolgreicher Klimagerechtigkeitsaktivismus.

Warum behaupten nun Menschen, dass wir arbeitslos, Taugennichtse oder eine Belastung für die Gesellschaft wären?

Das Traurige ist, dass viele Menschen damit ihr eigenes schlechtes Gewissen ruhig zu stellen versuchen. Denn die wissenschaftlichen Fakten und die existenzielle Notwendigkeit von stärken Klimaschutzmaßnahmen werden nicht einmal mehr von der CSU bestritten. Trotzdem geschieht zu wenig. Dann muss man sich schon die Frage stellen, warum man sich selbst nicht engagiert. Die Behauptung lautet, dass es nur Arbeitslose seien, die sich an Protestformen wie dem Klimacamp beteiligen. Mit diesen Behauptungen versuchen manche sich schön zu reden, dass sie selbst nicht aktiv sind. Sie seien ja nicht arbeitslos und haben daher keine Zeit für so etwas, reden sie sich ein.

Das ist natürlich vollständig falsch. Aktivismus ist vereinbar mit einer Vollzeitbeschäftigung. Es ist lediglich eine Frage dessen, was man für seine Freizeit priorisiert.

Einige Menschen haben sogar den Luxus, dass sie Arbeit und Aktivismus kombinieren können. Wer zum Arbeiten nur Laptop und Internetzugang benötigt, kann dies auch vom Baumhaus einer Waldbesetzung tun. Sogar Vorlesungen wurden schon über Videokonferenz aus besetzten Wäldern gehalten.

Dann gibt es auch Menschen, die ihre Karriere einstweilen zurückstellen. Die Weltklimaberichte besagen, dass die Handlungen der nächsten paar Jahre entscheidend für das Erreichen wichtiger Klimaziele sind. Die Menschheit befindet sich an einem Entscheidungspunkt. Daher entscheiden sich einige, dass sie die kommenden paar Jahre am besten so gestalten, dass sie sich voll dem Klimagerechtigkeitsaktivismus widmen können. Wie viel die Menschheit jetzt an Klimaschutzmaßnahmen umsetzt, kann einen deutlich größeren Einfluss auf die spätere Lebensqualität der Menschen haben als ihre persönlichen beruflichen Entscheidungen.

1e) Selbstbestimmtheit

Verschiedene Parteien unterstellen uns Bevormundung. So ganz von der Hand zu weisen ist das nicht, denn wir streben eine Zukunft an, in der netto keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Wir wollen also ein Verbot von Treibhausgasausstoß aus fossilen Quellen. Ebenso wollen wir, dass es verboten ist, Abwässer und Giftstoffe ungeklärt in Gewässer zu leiten. Außerdem wollen wir, dass es verboten ist, seinen Hausmüll einfach in der Landschaft zu entsorgen.

Warum werden die letzten beiden Verbote nicht als Bevormundung empfunden? Der Grund ist, dass diese Verbote bereits so lange bestehen, dass sie zur gesellschaftlichen Konvention geworden sind. Wenn jemand die Verklappung seines Hausmülls im nächsten Wald oder die Entleerung einer Flasche einer giften Flüssigkeit in einen Bach versuchen würde als Ausdruck seiner individueller Freiheit zu verteidigen, dann würden Sie vermutlich eine hohe Geld- oder Haftstrafe für diesen Spinner fordern.

Ebenso ist der Ausstoß von Treibhausgasen zu bewerten. Nur haben sich hier weite Teile der Gesellschaft noch nicht an die neue Konvention gewöhnt und die notwendigen Rahmenbedingungen existieren noch nicht. Man muss erst einmal eine geordnete Abfallbeseitigung etablieren, bevor man die Verklappung von Hausmüll in der Umwelt sinnvoll verbieten kann. Man muss erst eine Kanalisation und Sanitäreinrichtungen bereitstellen, bevor man Urinieren in Öffentlichkeit sanktionieren kann.

Für diese Rahmenbedingungen setzen wir uns ein. Wenn es für Treibhausgase erst einmal so weit ist, wird sich Klimaneutralität genauso normal anfühlen, wie die Reinhaltung der Gewässer. Die ersten Schritte dieses Mentalitätswandels sind bereits sichtbar. Verschiedene Gerichte haben in letzter Instanz wirksamen Klimaschutz zu einem Grundrecht und einem Menschenrecht erklärt.

Wir sehen auch Pendler*innen, die auf Autofahrten angewiesen sind und einen überdurchschnittlich schlimmen ökologischen Fußabdruck aufweisen, primär als Opfer einer schlechten Verkehrspolitik. Unsere Forderungen richten sich nicht an die Pendler*innen in ihrer Zwangslage. Wir wollen nicht die Pendler*innen bevormunden. Unsere Forderungen richten sich an die Verkehrspolitik. Wir wollen den Leuten nicht ihre Autos wegnehmen. Wir wollen eine Verkehrsinfrastruktur, in der es ökonomisch keinen Sinn macht, ein Auto zu besitzen, weil die Notwendigkeit für zahlreiche Fahrten weggefallen ist und die öffentlichen Alternativen für die verbleibenden Fahrten günstiger und besser sind.

Die wahrscheinlich größte Bevormundung unserer Zeit besteht im massiven Ausstoß von Treibhausgasen. Die Folgen betreffen vor allem Menschen in ärmeren Ländern, junge Menschen und zukünftiger Generationen, ohne das diese ein Mitspracherecht haben.

Menschen sterben seinetwegen einen qualvollen Hitzetod. Die Lebensmittelsicherheit wird riskiert. Menschen in Küstengebieten verlieren ihre Heimat. Die Artenvielfalt wird reduziert. Lebenswichtige Ökosysteme verarmen. Zusammengefasst: Die Lebensqualität dieser Menschen wird reduziert.

Stellen Sie sich vor, dass Sie in einer Situation leben, in der die Klimakatastrophe schon hart ihr Gesicht zeigt.

  • Bitte stellen Sie sich vor, dass die Lebensmittelpreise rasant steigen, nicht weil in einem wichtigen Agraranbaugbiet wie der Ukraine und Russland Krieg herrscht, sondern weil das Klima über einer gigantischen Agrarfläche nicht mehr den Anbau von Nahrungsmittelpflanzen zulässt und die verbliebenen Agrarflächen hart umkämpft sind.
  • Stellen Sie sich vor, dass landwirtschaftliche Flächen Tag und Nacht von einem Sicherheitsdienst abgefahren werden.
  • Stellen Sie sich vor, dass Warmwasserkorallenriffe mit ihrer einzigartigen Farbenpracht, nichts sind, was Sie sich selbst je ansehen können, wenn Sie nur genügend Geld für eine Reise haben, sondern zusammen mit anderen einzigartigen Ökosystemen ausgestorben sind.
  • Stellen Sie sich vor, dass Sie im Supermarkt keine große Auswahl haben, sondern das nehmen müssen, was gerade an kleiner Auswahl vorhanden ist und Sie gerade so noch bezahlen können.
  • Stellen Sie sich vor, dass, wenn sie die Wahl haben, wo Sie eine Überwachungskamera aufstellen, Sie lieber die Beete in Ihrem eigenen kleinen (Schreber-)Garten filmen, in denen Sie Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anbauen, als die eigene Garage.
  • Bitte stellen Sie sich vor, dass Sie in einer Welt leben, in der Sie sich vor Kriminellen fürchten müssen. Sie können den Kriminellen noch nicht einmal böse sein, weil diese nicht aus niederen Motiven kriminell sind, sondern weil es notwendig für ihr eigenes Überleben ist.
  • Stellen Sie sich vor, wie überall auf der Welt, vielleicht auch in Westeuropa, Konflikte und Kriege um Wasser und Lebensmittel ausbrechen.
  • Stellen Sie sich vor, wie mehr Menschen als je zuvor aus purer Not ihre Heimat verlassen müssen.
  • Bitte stellen Sie sich vor, dass es im Sommer über Wochen so heiß ist, dass Sie physisch gar nicht in der Lage sind auch nur hundert Meter in der prallen Sonne zu laufen.

Bitte halten Sie einen Moment inne, schließen Sie die Augen und stellen Sie sich das alles vor.

Der wissenschaftliche Kenntnisstand, welcher in den Weltklimaberichten zusammengefasst ist, sagt deutlich aus, dass die politischen Entscheidungen, die wir heute treffen, darüber entscheiden, ob wir in wenigen Jahrzehnten in so einer Welt leben werden. Für junge Menschen besteht leider eine hohe Wahrscheinlichkeit, diese Katastrophe selbst zu erleben oder eines Tages an ihr zu sterben. Der Übergang in diese Welt wird fließend sein und wir sehen die ersten Veränderungen bereits heute.

Die Erderhitzung ist die wahrscheinlich größte Bevormundung unserer Zeit. Gegen diese Bevormundung kämpfen wir. Es ist das große Unrecht unserer Zeit. Dem Wirken dagegen ist das „Gerechtigkeit“ in „Klimagerechtigkeit“ gewidmet. Wir möchten, dass auch zukünftige Generationen überall auf dem Planeten ein selbstbestimmtes Leben führen können.

1f) Basis unserer Forderungen

Dann wird uns manchmal vorgeworfen, dass wir Ideologien folgen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir achten sehr darauf, dass unsere Forderungen den wissenschaftlichen Kenntnisstand bestmöglich widerspiegeln. Als die Ergebnisse der von der Stadt in Auftrag gegebenen KlimaKom-Studie veröffentlicht wurden, da haben wir die Ergebnisse der Studie nicht abgelehnt, nur weil sie von der Stadt – unserer politischen Gegenerin – in Auftrag gegeben worden war. Wir haben die Ergebnisse der Studie geprüft. In einigen speziellen Sachverhalten haben wir Kritik an der Studie geäußert. Das war eher dann der Fall, wenn ein Sachverhalt übersehen worden war. Wir haben aber auch eingestanden, dass die Studie im Großen und Ganzen recht solide ist. Darum haben wir unsere Forderungen an die Empfehlungen der Studie angepasst.

Unsere politischen Gegner tun das nicht. Sie äußern selten inhaltliche Kritik an unseren Forderungen. Beispielsweise hat uns noch niemand nachgewiesen, dass eine unserer Forderungen den Treib­haus­gas­ausstoß verschlimmern würde, oder eine bessere Alternative zu unseren Forderungen vorweisen können. Die Ablehnung unserer Forderungen erfolgt meist aus ideologischen Gründen. Unsere Forderungen nach einer echten Mobilitätswende werden häufig von Personen abgelehnt, die eine überholte auf Autos fokussierte Mobilitätsideologie verfolgen. Erfahrungen aus verschiedenen Städten zeigen jedoch, dass eine städtische Mobilitätswende sehr gut gelingen kann und für alle Beteiligten, auch Autofahrer*innen, überwiegend Vorteile bietet.

Ganz frei von Ideologie sind wir auch nicht. Wir arbeiten aber lösungsorientiert und lehnen eine gute Lösung nicht aus ideologischen Gründen ab. Damit unterscheiden wir uns von fast allen unserer politischen Gegner*innen.

Wer Lösungen zur Milderung der Erderhitzung nicht mittragen will, soll bitte Platz für andere politische Entscheidungsträger machen oder ihr*sein Name wird von den kommenden unter den Folgen leidenden Generationen verflucht werden.

Die traurige Wahrheit ist, dass keiner unser politischen Gegner einen eigenen Plan vorweisen kann, der die Erderhitzung auf ein für die Weltgemeinschaft akzeptables Niveau beschränken kann – sei es 1,5 °C oder das deutlich schlimmere 2 °C. Kritik an unseren Forderungen folgt immer eine inhaltliche Leere, wenn wir die Rückfrage nach effektiven Alternativen stellen. Unsere Pläne werden aus ideologischen Gründen zurückgewiesen. Manchmal passiert das auch nur, weil die Forderungen von uns, dem politischen Gegner, kommen.

2. Zur Arbeitsweise des Klimacamps

Falls Sie sich fragen, wie ein Haufen die Schule schwänzender Jugendlicher das alles, was das Klimacamp schafft, ohne professionelle Hilfe hinkriegt, so ist die Antwort einfach: Wir sind kein Haufen die Schule schwänzender Jugendlicher.

Wenn am Klimacamp spektakuläre Holz- oder Metallkonstruktionen zu sehen sind, dann ist das nichts, was wir in Auftrag gegeben haben. Dann sind das Gegenstände, die Aktivist*innen von uns mit ihren eigenen Händen erarbeitet haben.

Wenn wir öffentliche Reden oder Stellungnahmen verlesen, dann wurden diese Stellungnahmen nicht bei professionellen Medienschaffende in Auftrag gegeben. Dann haben wir unter Einsatz von Stunden und Tagen unserer Freizeit zu der Thematik recherchiert und diese Stellungnahmen selbst verfasst.

Wenn wir die Außenwand des Rathaus oder der City-Galerie erklimmen, dann bezahlen wir keine Kletterexpert*innen. Dann sind die Kletterexpert*innen unter uns Aktivist*innen, die die Fassade erklimmen.

Wenn wir zu Ereignissen wie Pimmelgate Süd innerhalb kurzer Zeit professionelle Webseiten hochziehen, dann bezahlen wir keine Webentwickler. Dann sind es Aktivist*innen von uns, die sich mit Webentwicklung auskennen, die diese Webseiten bauen.

Kunst am Klimacamp ist ebenfalls selbst gemacht.

Wenn unsere Pressearbeit professionell wirkt, dann liegt das nicht daran, dass wir Kommunikations­expert*innen bezahlen. Dann ist das unsere Erfahrung aus fünf Jahren Pressearbeit, davon vier Jahre als Klimacamp, die sich in der Qualität der Pressearbeit zeigt.

Wenn unsere Demonstrationen von professioneller Trommelmusik begleitet werden, dann nicht, weil wir dafür eine Band bezahlen würden. Dann ist das eine freiwillige Trommelgruppe, die sich vor einigen Jahren extra für die musikalische Untermalung von klimagerechtigkeitsaktivistischen Aktionen gegründet hat.

Wenn ihr auf der Webseite der Klimacamps oder in Haltet Auxburg schräg informative Texte lest, dann haben wir selbst diese Texte geschrieben.
Übrigens tun war das nicht für Lizenzgebühren oder so. Wir veröffentlichen unsere Artikel meist unter einer „Creative Commons“-Lizenz. Das erlaubt es anderen Menschen unsere Text oder Abschnitte unserer Texte kostenlos weiterzuverwenden.

3. Subtilere Kritik

Manche unserer politisch erfahreneren Gegner*innen nutzen subtilere Kritik als jene, die wir in Abschnitt 1 als lächerliche Kritik benannt haben. Die Stellungnahme/Schmährede zum Augsburger Klimacamp, die Eva Weber am 21. April 2022 veröffentlichte, enthält einige Paradebeispiele für diese Art von Kritik. Obwohl wir sie inhaltlich schwach fanden, nahmen wir ihre Stellungnahme ernst und würdigten sie einer ausführlichen Antwort. Die Antwort ging als Pressemitteilung heraus und kann unter unseren Pressemitteilungen nachgelesen werden.

Klimagerechtigkeit in all seinen Facetten ist unser Kernthema

Manche unserer Gegner*innen greifen nach jedem Strohhalm, um die Behauptung zu konstruieren, dass es uns eigentlich gar nicht um Klimagerechtigkeit ginge.

So wurde eine Zeit lang kritisiert, dass das Klimacamp Computerkurse gäbe. Die Kritik sei ihnen verziehen. Das geschah vor allem in der Zeit, bevor staatliche Repression in Augsburg gegen friedlichen, legalen Klimagerechtigkeitsaktivismus in den Medien bekannt wurde. Natürlich bemühen wir uns mit Kursen zu Festplattenverschlüsselung und verschlüsselter Kommunikation, uns und unsere Mitstreiter*innen vor dem gewaltvollen staatlichen Eindringen in unsere Privatsphären zu schützen. Wer mehr dazu wissen will, was in Augsburg abgeht, dem*der seien die beiden im Juni 2024 erschienen Podcasts von Netzpolitik.org nahe gelegt.

Gleichberechtigung und Polizeigewalt sind wichtige Themen – auch am Klimacamp – aber sie sind nicht Kernthemen des Klimacamps. Dem Thema „Oben Ohne“ wurde am 27.03.2022 eine Spontandemo zum Thema „Gegen Sexualisierung des weiblichen Körpers“ mit einigen Dutzend Teilnehmer*innen gewidmet. Dies geschah im Nachgang einer Fahrraddemo über die B17 mit über 300 Teilnehmer*innen. Die Presse wurde mit einer etwa 30 Wörter umfassenden Kurznachricht auf die gerade beginnende Spontandemo hingewiesen, während sie über die Fahrraddemo bereits drei Tage vorher mit über 400 Worten informiert worden war. In den nachfolgenden Monaten wurde „Oben Ohne“ am Klimacamp nicht in größerem Umfang thematisiert, wohl aber durch Teile von Politik und Presse. Wir finden es faszinierend, dass das Thema einige Politiker*innen und einige Medienschaffende für Monate nicht losgelassen hatte. Für einige von ihnen scheint es gerade das wichtigste Thema am Klimacamp zu sein. Wie sehr sie bei der Diskussion um das Klimacamp diesem Thema verhaftet waren, ist ein guter Indikator für ihren mangelhaften Fachbezug.

Niemand hindert sie daran, beispielsweise

  • erstens auf die durch das Klimacamp thematisierten gesetzlichen Defizite in Deutschland im Umgang mit Lebensmittelverschwendung einzugehen und sich hierzu beispielsweise die Gesetzeslage in Frankreich zum Vorbild zu nehmen,
  • zweitens über die neuesten Weltklimaberichte und die daraus durch uns abgeleiteten politischen Forderungen zu reden oder eigene Forderungen aus ihnen abzuleiten oder
  • drittens über unsere mobilitätspolitischen Forderungen und Aktionen mit Bezug zu diesen zu sprechen.

Politiker*innen und Medienschaffende entschieden 2022 von sich aus lieber über „Oben Ohne“ zu reden. Damit sagen sie mehr über sich als über uns aus.
Jedem dieser drei gerade aufgezählten Themen hatten wir im gleichen Jahr deutlich mehr Raum gegeben. Im Mai 2022 waren unserem Tagebuch für das Jahr 2022 der Sexualisierung des weiblichen Körpers weniger als 150 von über 5500 Wörtern gewidmet. Allein der Eintrag zur Rundum-Grün-Demo vom 06.05.2022 hat etwa doppelt so viele Worte. Klimagerechtigkeit in all seinen Facetten ist seit Gründung des Klimacamps unser Kernthema. Das heißt nicht, dass diese anderen Themen unwichtig wären.

4. Kritik, die zutrifft

Es gibt ein wenig Kritik am Klimacamp, die zutreffend ist. Auch auf diese wollen wir eingehen.

Anerkennung von Errungenschaften

Insbesondere Vertreter*innen der Stadt beklagen sich manchmal darüber, dass Errungenschaften der Stadt im Bereich Klimagerechtigkeit vom Klimacamp ignoriert werden. Das passiert tatsächlich manchmal, darf dann kritisiert werden und es gibt verschiedene Gründe dafür.

Viel Gerede

Viel von dem, was die Stadt tut, ist derzeit nur Gerede oder Beschlüsse ohne bindende Wirkung. Es ist zu früh, um zu sagen, ob diesen auch tatsächliche Handlungen folgen und wie effektiv diese Handlungen Wirkung entfalten werden. Wir wissen zu gut, dass es ohne nennenswerte Ergebnisse blieb,

  • dass der Stadtrat 2007 beschloss, dass 30% der Lebensmittel in städtischen Kantinen und 100% der Lebensmittel auf städtischen Veranstaltungen aus biologischem Anbau seien sollten,
  • dass der Stadtrat 2009 beschloss, den Anteil an Recyclingpapier bis 2010 auf 75% zu erhöhen. (2017 hatte Augsburg gerade einmal einen Anteil von 48% erreicht. Das war damals der letzte Platz unter allen bayerischen Großstädten.) und
  • dass der Stadtrat 2012 „Fahrradstadt 2020“ ausrief.

Aktuell 2024: Die Stadt verbrachte jetzt zweieinhalb Jahre mit der Erarbeitung eines Mobilitätsplans. Als Zwischenergebnis wurden gerade erst Ziele und Wirkungsindikatoren vorgestellt. Zur Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs veranschlagt die Stadt nun zwei weitere Jahre. Lob darf sie dann von uns erwarten, wenn die Maßnahmen frühzeitig umgesetzt werden und die erhoffte Wirkung zeigen.

Die Stadträt*innen sind nun ganz stolz auf ihre neuen Beschlüsse und erhoffen sich Anerkennung, evtl. auch durch uns. Uns lässt das erstmal kalt. Es genügt nicht, dass die Stadt redet, damit wir sie loben. Inzwischen sind wir misstrauisch und erwarten Taten.

Wahrnehmung

Ein weiterer Grund liegt in der unterschiedlichen Wahrnehmung von Erfolg. Angenommen die Stadt tat in einem Sektor zuvor 25% von dem, was notwendig wäre, um den Sektor im Einklang mit der 1,5°C-Grenze klimaneutral zu machen, und tut nun 35% davon.

  • Die Stadt sieht darin eine massive Steigerung ihres Engagments von 25% auf 35%. Sie tut nun fast eineinhalb so viel wie zuvor.
  • Wir sehen die 65%, die große Diskrepanz zwischen dem, was die Stadt gerade tut, und dem, was notwendig wäre um im Einklang mit den (auch selbstgesteckten) Klimazielen zu sein. Auch sehen wir Potenzial und ungenutztem Handlungsspielraum.

Wir definieren Erfolg nicht als „Wurde etwas zugesagt?“ oder „Wurde das eingehalten, was zugesagt wurde?“.

Unsere Kriterium ist härter: „Wurde so viel getan, wie notwendig ist?“ Oder, falls das nicht geht: „Wurde wenigstens so viel getan, wie möglich ist?“

Kommunikation

Hier gibt es zwei Aspekte.

Die Kommunikation von Lob von uns an die Stadt

Unser Lob wird den Stadträt*innen wahrscheinlich deutlich schlechter kommuniziert als unsere Kritik. Wir erkennen an, dass

  • die Stadt das Thema Klimaschutz als Schlüsselthema identifiziert hat,
  • die Stadt unsere Forderung nach einem CO2-Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen CO₂ übernommen hat,
  • die Stadt einen Vertrag mit den Organisatoren von „Fahrradstadt jetzt“ geschlossen hat,
  • bei den swa viele Entwicklungen hin zu mehr Klimaneutralität am Laufen sind.

All das sind gute Entwicklungen. Wir benennen das. Medien haben aber immer mehr Interesse an Konflikt als an Harmonie. Kritik erreicht meist ein größeres Medienecho. Das merken wir auch in der Berichterstattung über uns.

Die Kommunikation der „Erfolge“ durch die Stadt an uns

Die Kommunikation der Erfolge durch die Stadt an uns funktioniert nicht optimal. Das Ratsinformationssystem ist unübersichtlich. Es gibt keine offiziellen Protokolle der Stadtratssitzungen. Es ist auch nicht die primäre Aufgabe von Aktivist*innen, die Erfolge der Stadt zu recherchieren und zu bewerben. Eine unserer primären Aufgaben ist die Anprangerung von Missständen. Wir haben nur begrenzt viel Freizeit, um uns dem Klimagerechtigkeitsaktivismus zu widmen. Darum kommt die Recherche nach den Erfolgen der Stadt manchmal zu kurz. Eventuell bietet der Webauftritt Blue City der Stadt Augsburg eine bessere Möglichkeit, um sich über die Taten der Stadt zu informieren. 2022 sahen wir dort aber nur schöne Floskeln und wenig Konkretes. Sofern wir die Zeit dafür finden, sollten wir auch die Erfolge der Stadt zur Kenntnis nehmen – sei es auch nur, um unsere Forderungen nachzuschärfen.

Übrigens haben wir die Erfolge der Stadt berücksichtigt, als wir 2024 die Bewertung Augsburgs bei Stadt.Land.Klima! vorgenommen haben. Das war eine zeitaufwändige Recherche.

Zugänglichkeit für alle Menschen

Wir müssen stärker auf diejenigen zugehen, die nicht die Zeit oder Möglichkeit haben, sich ausgiebig mit Klimapolitik und wissenschaftlichem Kenntnisstand ausseinanderzusetzen.

Es ist auch ein Grund, warum das Klimacamp als immerwährende Versammlung derart wichtig ist. Das Klimacamp erreicht nicht nur Menschen, die sich mit dem Thema bereits auseinander gesetzt haben oder aktiv nach Informationsmaterial suchen.

Das Klimacamp erreicht alle Menschen – Tag und Nacht, werktags wie am Wochenende. Es steht offen für Menschen aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten und mit allen möglichen Bildungshintergründen.

Traurigerweise ist es in der Realität so, dass am Klimacamp exzellente und engagierte Gärtner*innen, Schreiner*innen, Mathematiker*innen, Softwareberater*innen, Softwareentwickler*innen, Lehrer*innen, Student*innen und Rettungssanitäter*innen überrepräsentiert und Durchschnittsbürger*innen unterrepräsentiert sind. Viel unserer Kommunikation findet über interne Kommunikationskanäle statt.

Diese Gefahr eines möglichen Abdriftens in einen Elitarismus oder der Bildung einer geschlossenen Gruppe (Stichwort Filterblase) ist eine Kritik, die wir tatsächlich ernst nehmen müssen. Das tun wir auch. Wir arbeiten beständig an unserer Öffentlichkeitsarbeit. Wir zeigen uns offen für Gespräche und Kooperationen. Die einzigen Einstiegshürden für eine Teilnahme bei uns ist Anwesenheit und der Wille eine nach wissenschaftlichen Maßstäben gute Lösung der Klimakrise mitzutragen.


Daher nun zu Ihnen.

Je weniger Sie sich bislang mit uns identizieren können, umso mehr bringen Sie eine wichtige Qualifikation mit. Sie verstehen, warum wir Menschen in Ihrem Umfeld nicht so gut erreichen. Helfen Sie uns bitte, die Gründe zu verstehen.

Neben dem Klimacamp gibt es in Augsburg noch zahlreiche andere Gruppen, die sich Klimagerechtigkeit widmen. Alle haben so ihren leicht eigenen Stil und vielleicht passt eine dieser Gruppen noch besser zu Ihnen als es das Klimacamp tut.

– Klimacamp Augsburg (https://augsburg.klimacamp.eu alias https://www.klimacamp-augsburg.de/)

Dieser Artikel steht unter der Lizenz Creative Commons BY 4.0.

Anmerkung

Der größte Teil dieses Artikels enstand bereits im Jahr 2022. Allerdings wurde er damals nicht veröffentlicht. Wir haben den Text wieder ausgegraben, als im Juni 2024 vor dem vierten Geburtstags des Klimacamps gefragt wurde, ob wir nicht Texte für eine Geburtstagsausgabe von „Haltet Auxburg schräg“ hätten. Beim Durchlesen stellte wir fest, dass der Text auch fast zwei Jahre später noch sehr treffgenau war. Vor der Veröffentlichung haben wir dann aber noch Verweise auf aktuelle Ereignisse eingepflegt.