Radtour zu den Tanzlinden

Diese Radtour ist ein wenig anders gelagert, als für mich üblich. Gewöhnlich bin ich um die zwei Wochen unterwegs und radel in die Ferne, die beginnt mindestens jenseits von Bayern - eher außerhalb Deutschlands. Oberfranken gehört zur Ferne sicher nicht. Trotzdem hab ich meinem Reiseziel schon länger entgegen gefiebert.. über mindestens ein halbes Jahr Vorfreude aufgebaut. Wie ich genau auf Tanzlinden gekommen bin, kann ich nicht sagen. Am Anfang waren sie schon fast mystische Gestalten, Zeugen einer anderen Zeit die mir irgendwo auf der Suche nach alten Bäumen begegnet sein müssen. Da war nur dieses entfernte Bild. Dann das Bedürfnis nach konservativer Innovation, einem Lösungsansatz für den Klimawandel in der Vergangenheit, mit dem Potential zu bewegen. Ein Solarpunk Text zur Tanzlinde am Rathausplatz, hat mich dann weiter beflügelt. Das muss im Frühling gewesen sein.

Meine jährliche Radreise mit ein wenig Recherche zu verbinden war naheliegend und da sich zwischen all den Ereignissen - einem Hackathon und dem Klimacamp Abbau - keine üblich lange Lücke finden würde, hab ich mich für die Kernroute um Limmersdorf entschieden.

Los ging es dann Mitte Juli - zu beginn in die überwachsene, persönliche Vergangenheit. Ein Besuch am jetzt leeren Haus eines Freundes aus Kindertagen - Scheiben eingeschlagen, von Dickicht umgeben. Weiter an einen verwunschenen, schon immer wilden Ort vergangener Kinderzeltsommer. Dort verbrachte ich eine regenreiche Nacht in der Hängematte.

Aus zeitlichen Sicherheitsgründen hab ich abgekürzt und bin von Erlangen aus weiter nach Limmersdorf gereist. Gegen Mittag, hat sich die fränkische Schweiz gezeigt, eine kleine Straße hat mich gewunden in den Fels hinein und schließlich über ihn geführt. Erfreulicherweise, haben mich osteuropäische Arbeiter mein Rad über eine im Bau befindliche Brücke schieben lassen und mir so einen weiteren Berg erspart.

Erfreulicherweise waren Windräder in der grünen, hügeligen Landschaft sehr präsent.

Einen weiteren Berg am frühen Abend hab ich noch überwunden, um dann wieder meine Hängematte aufzuspannen.

Am Vormittag bin ich dann im Tanzlinden Freilichtmuseum in Limmersdorf angekommen. Die 350 Jahre alte Linde dort ist eine Naturgewalt. Dicht und kräftig. Gemeinsam mit Säulen trägt sie einen Tanzboden, der in ihrem Grün verschwindet. Teil des Tanzbodens ist neben Bänken auch eine kleine Bühne, mit Stromversorgung und allem. Das Freilichtmuseum kommt ohne Personal aus, es gibt Schautafeln und Modelle der monumentalsten Tanzlinden.

Oben im Grün ist es auch unter der Mittagshitze angenehm kühl, das Rauschen der Blätter schluckt den Lärm der Umgebung, hier ist die Welt eine andere.

Dann geht es weiter über einen Radweg, der offensichtlich einer alten Bahnlinie folgt - nur hier und da unterbrochen von Steigungen auf kleinen Straßen. Nachmittags komm ich in Peesten an. Auch hier ist die Tanzlinde schnell gefunden. Sie gibt, im Quader geschnitten, ein anderes Bild. Über eine gewundene Steintreppe kommt man auf einen riesigen Tanzboden, die Grünen Wände sind mit Fenstern versehen, die sogar hölzerne Fensterrahmen haben. Diese Linde gehört wohl zu einem Schloss, ist verspielter und noch etwas mehr Architektur, als die in Limmersdorf. Sie schützt mich vor einem kleinen Regenschauer und wieder fühle ich mich in eine andere Welt entführt. Mit surrealer Leichtigkeit kommen Tradition und Utopie zusammen.

Ein Anwohner erklärt mir, dass auch die Linden auf der anderen Straßenseite zum Ensemble der Tanzlinde gehören. Die Tanzlinde in Peesten ist ein echtes Platzwunder, das sowohl unter als auch im Baum ausgesprochen geräumig ist.

Am nächsten Morgen besuche ich die Tanzlinde in Peesten noch einmal, bevor ich aufbreche in Richtung Langenstadt. Wieder finde ich einen anderen Charakter vor, alte Steinsäulen umgeben einen noch jungen Baum, der 1990 anstelle des auseinander brechenden alten gepflanzt wurde. Wo der Tanzboden sein wird, lässt sich erahnen. Über einen Steg wird man direkt vom historischen Gebäude nebenan auf die Linde tanzen können. Vermutlich wird es noch zwei weitere Jahrzehnte brauchen, bis es wieder so weit ist.

Eine geruhsame Ausdauer und Gewissheit, die einen Kontrast bildet zu unserer Zeit der schnellen Iterationen, in dem für etwas Bequemlichkeit nachhaltige Lösungen vernachlässigt werden.

15 km später bin ich dann von Bayreuth mit dem Zug nach Augsburg zurückgefahren. Alles in allem eine kleine Tour, die mich schwer beeindruckt hat.